Aufdeckung statt Ausbeutung – Solidarität mit der gefeuerten Tönnies-„Whistleblowerin“

Am Donnerstag wurde vor dem Arbeitsgericht Bielefeld über die Kündigung einer Tönnies-Küchenhilfe verhandelt, die im April 2020 ein Video veröffentlicht haben soll, was massive Verstöße des Konzerns gegen die Corona-Schutzmaßnahmen dokumentiert. Das Video sorgte für Schlagzeilen, weil trotz der rasanten Ausbreitung des Corona-Virus hunderte Beschäftigte des Fleischkonzerns dicht gedrängt in der Werkskantine saßen. Kurz darauf wurde der Corona-Ausbruch beim Fleischkonzern Tönnies im Kreis Gütersloh bekannt, der bis heute bundesweit seinesgleichen sucht.

Während sich Konzernchef Clemens Tönnies und die Politik überrascht zeigten, wunderte uns der Ausbruch überhaupt nicht. So ist lange bekannt, dass die überwiegend osteuropäischen Arbeiter:innen auf ekelhafte Art und Weise von Tönnies ausgebeutet werden und unter menschenunwürdigen Verhältnissen leben und arbeiten müssen. Unterirdische Löhne, unsichere Werkverträge über Subunternehmen und kaum Arbeitsschutz — das alles ist Ausdruck, wie Tönnies auf Kosten der Arbeiter:innen reich geworden ist. Es war keine Überraschung, dass sich das Coronavirus unter der Belegschaft des Konzerns ausbreitete, wenn diese in Sammelunterkünften zusammengepfercht wird, sich im „Schichtsystem“ Betten teilen muss und dicht gedrängt in der Fabrik steht.

Dass das Tönnies-Subunternehmen die vermeintliche „Whistleblowerin“ gefeuert hat, können wir nicht unkommentiert stehen lassen. Es ist dringend nötig, die ausbeuterischen Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie öffentlich zu machen und dagegen vorzugehen. Wir solidarisieren uns als Kampagne „Shutdown Schweinesystem“ mit der gekündigten Angestellten, die heute vorm Arbeitsgericht gegen ihren ehemaligen Chef geklagt und (immerhin) 20.000 Euro Abfindung erstritten hat. Doch das ist nur ein kleiner Erfolg gegen das menschenverachtenden Schweinesystem, das Menschen ausbeutet und krank macht.

Wir sagen deshalb: Schluss mit Rassismus, Leiharbeit und Lohndumping – Tönnies enteignen!

Shutdown Schweinesystem!

Stellungnahme zur Haftung von Tönnies-Arbeiter:innen

Wie die „Neue Westfälische“ berichtet prüft das Arbeitsministerium des Landes Nordrhein-Westfalen derzeit, ob für die Infektion von mehr als 1400 Arbeiter:innen bei „Tönnies“ zwei Arbeiter:innen nach dem Infektionsschutzgesetz als sogenannte „Störer“ verantwortlich gemacht werden können.

Die Arbeiter:innen hatte sich zunächst bei Mitarbeiter:innen des in Dissen ansässigen Konzerns „Westfleisch“ angesteckt. Den Kontakt zu den Westfleisch-Arbeiter:innen hatten sie ihren Vorgesetzten gemeldet, welche darin wohl kein Problem sahen und sie weiterarbeiten ließen.

Während die Stadtverwaltung über die Bezirksregierung bis hin zum Landesarbeitsministerium bemüht sind, Zuständigkeiten und Verantwortung von sich zu weisen, halten wir die scheinbare Einigkeit darüber, dass die Schuld bei den Arbeiter:innen zu suchen sei für bezeichnend.

Der Umgang des Unternehmens „Tönnies“ mit seinen Arbeiter:innen ist hinlänglich bekannt. Angst vor ausbleibenden Lohnzahlungen und Unterkünfte die selbst ohne globale Pandemie an jedem Hygienestandard scheitern würden, gehören hier ebenso dazu wie fehlende Sicherheitsvorkehrungen am Arbeitsplatz, gerade auch mit Blick auf nicht einhaltbare Mindestabstände.

Die Verantwortung liegt also eindeutig beim Schweinesystem, das nicht nur hier behördliche und ministerielle Rückendeckung erhält!

Wenn das Landesarbeitsministerium die prekarisierten Arbeiter:innen für systembedingte Verfehlungen verantwortlich machen will, dann zeigt sich deutlich, dass es aufseiten des Tönnies – Konzerns steht, der bereit ist, im großen Stil gesundheitliche Risiken einzugehen, um seine Profitmaschine am Laufen zu halten.

Liste mit Akteur:innen des Schweinesystems!

Clemens Tönnies ist aktuell völlig zurecht einer der vermutlich meist gehassten Menschen Deutschlands. Denn der „Fleischbaron“ aus Rheda-Wiedenbrück ist, durch die Ausbeutung „seiner“ Angestellten, Nutznießer der prekären Lebensverhältnisse, die den aktuellen Corona-Ausbruch im Kreis Gütersloh begünstigt haben. Doch Tönnies selbst ist nicht der Einzige, der vom Schweinesystem profitiert.

Auch ein ganzes Netz an Subunternehmen profitiert von der Ausbeutung der überwiegend osteuropäischen Arbeiter:innen. Laut Aussage der für die Fleischindustrie zuständigen Gewerkschaft NGG sind von 4.000 Beschäftigten am Tönnies Standort in Rheda-Wiedenbrück lediglich 500 festangestellt. Der überwiegende Teil der Belegschaft wird von „Personaldienstleistern“ über Werkverträge rekrutiert, die sich ebenfalls an der Abhängigkeit der Menschen bereichern. So gibt es unzählige Berichte über Lohndumping durch unbezahlte Überstunden und fehlende Zuschläge für Sonntags- und Nachtarbeit, Kündigungen nach Arbeitsunfällen oder Sanktionen bei Krankheit. Befragungen von Mitarbeitenden durch gewerkschaftsnahe Beratungsstellen ergaben, dass viele Werkvertragsarbeiter:innen über Stress, Müdigkeit und Erschöpfung klagen und 16-Stunden-Schichten keine Seltenheit sind.

Doch nicht nur durch die Vermittlung der Arbeit verdienen die Subunternehmen – auch bei der Unterbringung werden die Angestellten ordentlich ausgepresst. So mieten die Subunternehmen zumeist stark sanierungsbedürftige Immobilien an, um ihre Angestellten unter unmenschlichen Bedingungen zusammenzupferchen und dafür auch noch ein guten Teil ihres Lohns einzubehalten. Diese Subunternehmen sind ebenfalls Teil des Schweinesystems und befinden sich nicht nur im Kreis Gütersloh. Auch in Bielefeld, München oder Paderborn gibt es die Möglichkeit gegen die Ausbeutung in der Fleischindustrie aktiv zu werden. Also seid kreativ – “Shut down Schweinesystem“!

  1. Agriserv Europa Meat S.R.L., Druffeler Str. 160, 33397 Rietberg
  2. ALMA-M-Sia, Im Dörener Feld 16, 33100 Paderborn
  3. Besellmann GmbH & Co. KG, Westring 20, 48361 Beelen
  4. Best Promo Distric SRL, Eichenweg 5, 33378 Rheda-Wiedenbrück
  5. DSI GmbH & Co. KG, Kupferstr. 11a, 33378 Rheda-Wiedenbrück
  6. Flash-Works GmbH, Schulstr. 6, 17373 Ueckermünde
  7. MTM Dienstleistung GmbH, Tenge-Rietberg-Str. 100, 33758 Schloss Holte-Stukenbrock
  8. MGM Handels- und Vermittlungs GmbH, Tenge-Rietberg-Str. 100, 33758 Schloss Holte-Stukenbrock
  9. Ni. Ke. Fleischverarbeitungs GmbH, Große-Kurfürsten-Str. 67, 33615 Bielefeld
  10. TD Services Convenience Food, Eduar-Thoeny-Str. 15, 81477 München
  11. UNITY Imobilien GmbH, Wilhelmstr. 6, 33378 Rheda-Wiedenbrück
  12. Ergie Personalvermittlung GmbH, Mönchstr. 11, 33378 Rheda-Wiedenbrück

Stellungnahme zu den Lockerungen im Kreis Gütersloh

Presseberichten zufolge kippte das Oberverwaltungsgericht Münster die Corona-Beschränkungen für den Kreis Gütersloh mit dem Verweis darauf, dass diese nicht mehr verhältnismäßig seien.

Praktisch unmittelbar nach dem Aufheben des Lockdowns wird bereits über das Wiederhochfahren der Produktion in Rheda-Wiedenbrück beraten. Expert:innen und Behördenvertreter:innen begehen hierfür den Schlachtbetrieb. Zuvor hatte der Tönnies-Konzern ein überarbeitetes Hygienekonzept vorgelegt.

Das Konzept an sich zieht bereits Kritik auf sich. Ob so die Gesundheit von Arbeiter:innen geschützt werden kann bleibt mehr als fraglich.

Zusätzlich dazu macht ein neues Hygienekonzept noch nicht die schlechten Verhältnisse in den Betrieben wett:

  • Arbeiter:innen sind immer noch vom Virus betroffen.
  • Werkverträge binden die Menschen weiterhin an ausbeuterische Arbeitsverhältnisse.
  • Die Unterkünfte der Arbeiter:innen sind nach wie vor beengt und in desolaten Zuständen.

Dass die Wiederaufnahme des Normalbetriebs das erste ist, was bereits vor der Aufhebung des Lockdowns vorbereitet wurde und nun vehement ausgehandelt wird, zeigt einmal wieder auf zynische Weise wo die Prioritäten liegen: eben nicht beim Wohlergehen der Menschen, sondern beim wirtschaftlichen Profit.

Grundsätzlich ist die Aufhebung der repressiven Lockdown-Maßnahmen gegen die Menschen im Kreis Gütersloh zu begrüßen. Lasst die nicht mehr infizierten Menschen vor die Haustür und die Tönnies-Arbeiter:innen raus aus den überfüllten Unterkünften!

Eine Wiederaufnahme der Produktion ist jedoch vehement abzulehnen! Gleichzeitig muss die soziale und finanzielle Absicherung der Arbeiter:innen durch abzugsfreie Lohnfortzahlungen gewährleistet sein.

Wir bleiben dabei: Auf den Lockdown muss der Shutdown des Schweinesystems, das Ende von Rassismus, Leiharbeit und Lohndumping, folgen.

Corona-Ausbruch in Gütersloh — Shut Down Schweinesystem!

Vor zwei Wochen ist ein Corona-Ausbruch beim Fleischkonzern Tönnies im Kreis Gütersloh bekannt geworden. Nach aktuellem Stand sind über 2.000 Arbeiter:innen an dem Virus erkrankt, sodass Ministerpräsident Armin Laschet einen „Lockdown“ für die Kreise Gütersloh und Warendorf verhängt hat. Doch während sich Konzernchef Clemens Tönnies und die Politik überrascht zeigen, wundert uns der Ausbruch überhaupt nicht. So ist lange bekannt, dass die überwiegend osteuropäischen Arbeiter:innen auf ekelhafte Art und Weise von Tönnies ausgebeutet werden und unter menschenunwürdigen Verhältnissen leben müssen. Unterirdische Löhne, unsichere Werkverträge und kaum Arbeitsschutz — das alles ist Ausdruck, wie Tönnies auf Kosten der Arbeiter:innen reich geworden ist. Es ist keine Überraschung, dass sich das Coronavirus unter der Belegschaft des Konzerns ausbreitet, wenn diese in Sammelunterkünften zusammengepfercht wird und sich im „Schichtsystem“ Betten teilen muss. Doch anstatt den Tönnies-Konzern für den erneuten Ausbruch verantwortlich zu machen, werden die Arbeiter:innen rassistischer Stigmatisierung ausgesetzt. So kursierten schnell Schlagzeilen, dass die „rumänischen Gastarbeiter:innen“ das Virus angeblich aus ihrer Heimat mitgebracht hätten. Dieses verbale „Scharfmachen“ mündete bereits in Brandstiftung an Fahrzeugen von vermeintlichen Tönnies-Mitarbeitenden. Der rassistische Ausbeuter Tönnies behauptet währenddessen, nun das System ändern zu wollen, welches er selbst maßgeblich mit aufgebaut hat und dessen Nutznießer er ist. Viel mehr als eine Image-Kampagne dürfte das also nicht sein.

Doch die Schuld alleine bei Tönnies zu suchen wäre zu einfach. Es ist die gesamte Wirtschaftsweise, die permanent Not und Elend hervorbringt. Denn in der Marktwirtschaft herrscht ein ständiges Hauen und Stechen um Marktanteile und Profite. Um in dieser Konkurrenz erfolgreich zu sein, versucht nicht nur Tönnies die Löhne zu drücken und seine Angestellten maximal auszupressen. Auch seine Konkurrent:innen von Westfleisch oder Wiesenhof stehen ihm dabei in nichts nach. Dies entschuldigt das Verhalten von Tönnies kein Stück, sondern zeigt, dass der Corona-Ausbruch bei Tönnies gerade nur die Spitze des Eisbergs einer ausbeuterischen Wirtschaftsweise ist. Die nun empörten Stimmen aus der Politik, haben diese Verhältnisse über Jahre unterstützt und zugleich von ihnen profitiert. Die lokale CDU Rheda-Wiedenbrück, erhielt sechsstellige Summen an Spendengeldern von Tönnies. Der NRW-Ministerpräsident Laschet kündigte die Zusammenarbeit auf, indem er erklärte, dass ab jetzt(!) nach Recht und Gesetz verfahren werde. Und wie schnell Sigmar Gabriel vom SPD-Bundespolitiker zum bezahlten Berater von Tönnies geworden ist, spricht für das Verhältnis von der Politik zur Wirtschaft. Es zeigt sich: für den reibungslosen Ablauf des Schweinesystems, werden gerne beide Augen zugedrückt.

Um diesen untragbaren Zuständen etwas entgegenzusetzen, haben wir die Kampagne „Shut Down Schweinesystem!“ ins Leben gerufen. Teil der Kampagne sind Gruppen aus Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen, die sich für eine solidarische Gesellschaft ohne Ausbeutung und Rassismus einsetzen. Während der Corona-Epidemie zeigt sich die soziale Ungerechtigkeit besonders. Betroffen sind vor allem die, die sowieso schon unter der Ausbeutung und Armut zu leiden haben. Gleichzeitig erschweren die sinnvollen Corona-Schutzmaßnahmen eine politische Öffentlichkeit. Wir solidarisieren uns durch verschiedene Aktionen mit den Betroffenen und wollen auf die Missstände aufmerksam machen. Wir planen einen bundesweiten Aktionstag, an dem wir gemeinsam mit euch allen gegen dieses Schweinesystem auf die Straße gehen.

Schluss mit Rassismus, Leiharbeit und Lohndumping — in der Fleischindustrie und überall!

Eine Welt ohne Ausbeutung und Armut ist möglich — Shut Down Schweinesystem!